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Tour Käthe to go

Frauengefängnis

Das Frauengefängnis Barnimstraße bestand von 1868 bis 1974. Die Barnimstraße verläuft parallel zur Mollstraße gleich nördlich vom Alexanderplatz.

Ehemaliger Ort des Frauengefägnisses, Barnimstraße, Berlin, 2021
Barnimstraße 10., Eingang Verkehrsschule, 2021

Es hieß zunächst Königlich-Preußisches Weiber-Gefängnis und verfügte über eine Entbindungs- und eine Mutter-Kind-Station. Auf inhaftierte Mütter wurde große Rücksicht genommen. Sie konnten zusammen mit ihren Kindern eine „Mutterzelle“ bewohnen, in der es Spielzeug gab und Blumen aufgestellt werden durften. Ein Arzt sah täglich nach dem Rechten.

Die sozial engagierte Käthe Kollwitz besuchte das Gefängnis wiederholt. Hier entstand zum Beispiel 1912 „Weibergefängnis“, eine von zwei Zeichnungen, die sie zu einer Ausstellung zur Verbesserung der Haftbedingungen von Frauen beisteuerte.

Käthe Kollwitz, Weibergefängnis, 1912/13; Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung, C 1954/GVL 44 / CC 0 Public Domain

Frauenschicksale bilden einen wichtigen Schwerpunkt im Werk von Käthe Kollwitz. Auch Gefängnisse hat sie besucht, wie die Kohlezeichnung »Weibergefängnis« zeigt. Den Anlaß zu dieser Skizze bot die Berliner Ausstellung ›Die Frau in Haus und Beruf‹. Kollwitz arbeitete zwei Zeichnungen: eine Frau, die im Gefängnis entbindet und die Einlieferung einer Frau mit ihren Kindern in den allgemeinen Raum.

Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung, C 1954/GVL 44 / CC 0 Public Domain

Während der Kaiserzeit saßen hier Prostituierte ein, Frauen, die abgetrieben oder sich für gerechte Löhne oder das Frauenwahlrecht eingesetzt hatten. Die bekannteste politische Insassin war Rosa Luxemburg, die dort 1907 und 1915/16 Haftstrafen verbüßte. Zwischen 1933 und 1945 waren mehr als 300 Widerstandskämpferinnen gegen den Nationalsozialismus inhaftiert, für viele war es die letzte Station vor der Hinrichtung in Plötzensee. 1974 wurde eine neue Haftanstalt für Frauen in Köpenick gebaut, das Gebäude in der Barnimstraße wurde abgerissen.

Heute befindet sich auf dem Gelände eine Jugendverkehrsschule. Die hohen Pappeln, die sie säumen, stehen auf den ehemaligen Grundmauern. Eine Gedenktafel erinnert an das Gefängnis. Seit einigen Jahren gibt es eine Audiotour zur Erinnerung. Eine Schauspielerin erzählt die Geschichte von fünf Insassinnen, die während fünf unterschiedlicher politischer Systeme einsaßen. Besucher können iPods und Kopfhörer kostenlos beim Platzwart am Eingang in der Weinstraße, dem ehemaligen Haupteingang des Gefängnisses, ausleihen. Die Weinstraße führte ehemals zu zwei Weinbergen am Volkspark Friedrichshain, sie trägt den Namen seit 1830 und ist heute ein Fußgängerweg. Noch immer ranken sich Weinpflanzen um den Zaun der Verkehrsschule.

Barnimstraße 10., Jugendverkehrsschule, 2021