Die vom Bildhauer Gustav Seitz (1906-1969) geschaffene Bronzeplastik, die Käthe Kollwitz sitzend mit Zeichenmappe zeigt, wurde zur Langen Nacht der Museen 2024 vor dem Kollwitz-Museum aufgestellt.
Zuvor beherrschte die überlebensgroße Bronzeplastik 35 Jahre lang den Kuppelraum des Kollwitz-Museums in der Fasanenstraße. Für den Transport der über zwei Meter großen Plastik musste diese mit einem Kran aus dem Dachgeschoss herausgehoben werden.
Die Kollwitz-Figur wurde anschließend in den Werkstätten der traditionsreichen Berliner Gießerei Noack, die die Skulptur seinerzeit gegossen hat, überarbeitet und damit zu neuem Leben erweckt. Jetzt hat sie ihren Platz auf einem schönen Sockel aus Muschelkalkstein vor dem Museumsgebäude am Spandauer Damm gefunden.







Die Porträtfigur „Käthe Kollwitz“ von Gustav Seitz
Der 1906 in Neckarau bei Mannheim geborene Gustav Seitz hatte die Porträtfigur in Verehrung für die Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz von 1956 bis 1958 im Auftrag des Ost-Berliner Magistrats geschaffen. Sie wurde auf dem ehemaligen Wörther Platz, seit 1947 Käthe-Kollwitz-Platz, in Prenzlauer Berg aufgestellt.

Seitz konnte sich auf eigene Erinnerungen an die Künstlerin stützen, nahm sich aber auch das letzte lithografierte Selbstbildnis der Kollwitz von 1938 zum Vorbild. Er schuf im Garten seines Hauses in Berlin-Niederschönhausen die über 2 m hohe Sitzfigur, die eine gealterte Käthe Kollwitz mit einer Zeichenmappe zu ihrer Linken und einem Kohlestück in der rechten Hand zeigt. Im Juni 1958 schrieb die Architektin Luise Seitz: „Mein Mann ist fleißig bei seiner Käthe Kollwitz, die in der endgültigen Größe bei uns im Garten in Gips ihrer letzten Verschönerung entgegensieht.“

Gustav Seitz hatte ab 1925 an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin studiert und ab 1929 als Meisterschüler bei Wilhelm Gerstel und Hugo Lederer gearbeitet. Seit dieser Zeit wird Seitz Käthe Kollwitz persönlich gekannt haben, die von 1927 bis zu ihrem erzwungenen Austritt aus der Akademie der Künste im Jahr 1933 die Meisterklasse für Grafik der Akademie geleitet hatte. Auch in der Ateliergemeinschaft Klosterstraße, in der Kollwitz seit 1934 einen Arbeitsraum angemietet hatte, werden sich die beiden Künstler begegnet sein. Obwohl Seitz dort kein Atelier besaß, gehörte er mit seinen an der Vorantike orientierten archaisierenden Plastiken zu einem Kreis junger Bildhauer um Ludwig Kasper und Hermann Blumenthal, die sich im „Dritten Reich“ in der Klosterstraße relativ geschützt zu regem Austausch über ihre NS-ferne Kunst treffen konnten.


Nach der Kriegsteilnahme kehrte Seitz im August 1945 nach Berlin zurück, wo er an die in Berlin-Charlottenburg neugegründete Hochschule der Künste berufen wurde. In idealistischer Verkennung der politischen Verhältnisse im geteilten Berlin und im Kalten Krieg versuchte Seitz lange Zeit künstlerisch zwischen Ost und West zu vermitteln. Die Annahme der Mitgliedschaft der in Ost-Berlin neugegründeten Deutschen Akademie der Künste im Jahr 1950 führte zu seiner Entlassung an der West-Berliner Hochschule der Künste. Seitz erhielt daraufhin die Leitung der Meisterklasse für Bildhauerei an der Deutschen Akademie und nahm seinen Wohnsitz im Ostteil der Stadt, behielt jedoch sein privates Atelier in Charlottenburg. Er war auf zahlreichen Ausstellungen sowohl in Ost- wie in Westdeutschland vertreten.

Zuvor hatte der Bildhauer die Arbeit an der Kollwitz-Figur vollendet und im Material Gips auf der Jahresausstellung der Deutschen Akademie der Künste präsentiert. Mit seiner Übersiedlung nach Hamburg überließ Seitz dem „Kulturfonds der DDR“ den Gips zur weiteren Verwendung. Im Juli 1958 hatte er an den Kulturfonds geschrieben: „Sobald ich mit dem Gipsmodell, das […] im Freien entsteht, fertig bin, muß die Figur witterungssicher untergestellt werden. Die Arbeit müsste also von Ihnen abgeholt werden. Sollte kein Raum vorhanden sein, dann bin ich bereit, sie handwerksgerecht zu zerschneiden. Ich würde versuchen, sie im Keller der Akademie unterzubringen. Vielleicht hat die Arbeit in späterer Zeit ihren Sinn.“ Tatsächlich wurde etwas später ein Bronzeguss bei der alteingesessenen Gießerei Seiler und Siebert in Ost-Berlin hergestellt. Die Aufstellung der Figur auf dem Kollwitz-Platz erfolgte kurz nach dem Bau der Mauer im Herbst 1961. Der Gips ging anschließend, auf Wunsch des Künstlers, in das Kulturhistorische Museum in Magdeburg.

Im Jahr 1986 stiftete die Künstlerwitwe Luise Seitz dem neugegründeten West-Berliner Käthe-Kollwitz-Museum einen Zweitguss der Kollwitzplastik zur Eröffnung. Vermittelt hatte dieses einzigartige Geschenk Bernd Schultz, Kunstmäzen und Geschäftspartner des Museumsgründers Hans Pels-Leusden. 2020 erinnerte er sich: „Glückliche Umstände haben dazu beigetragen, dass [es] trotz der damals noch bestehenden Trennung der beiden deutschen Staaten durch die Hochherzigkeit der in Hamburg lebenden Witwe des Künstlers, Luise Seitz, ermöglicht wurde, den in Magdeburg lagernden Originalgips der Skulptur in die Gießerei Noack nach [West-] Berlin zu verbringen und dort den vorliegenden Guss zu erstellen, dessen Gusskosten dann durch die Fürsprache von [Geschäftsführer] Marcus Bierich die Robert Bosch GmbH übernommen hat – und dies rechtzeitig zur Eröffnung des Museums im Mai 1986.“
Der Originalgips kehrte nach Magdeburg zurück, was einen weiteren Bronzeguss der Porträtplastik im Jahr 1988 ermöglichte. Die Traditionsgießerei Lauchhammer führte ihn für das Magdeburger Kunstmuseum aus. Er fand seine Aufstellung im Skulpturenpark des Museums. Seit 1996 befindet sich der originale Gips in der Lübecker Katharinenkirche. Gustav Seitz selbst verwandte das Motiv der sitzenden Künstlerin 1965 noch einmal in kleinerem Format für ein Wohnstift in Hamburg-Langenhorn (li.). Eine weitere Entwurfsvariante, die Seitz seinerzeit in einem Format von einem Meter vergrößert hatte, markiert heute den Eingang zu dem 2017 im brandenburgischen Trebnitz eröffneten Gustav-Seitz-Museum (re.).


Gustav Seitz erlebte erfolgreiche Jahre in Hamburg und galt als engagierter und zugewandter Lehrer an der Hochschule. Er wurde zweimal auf die documenta nach Kassel eingeladen (1959 und 1964) und vertrat die Bundesrepublik Deutschland auf der Biennale in Venedig (1968). Gustav Seitz starb im Oktober 1969 in Hamburg.