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Tour Käthe to go

Sickingenstraße

„Moabiter Unruhen“

Sickingenstrasse, 2021

Käthe Kollwitz nahm gemeinsam mit ihrem Mann auch selbst an Demonstrationen teil und fuhr durch die Stadt, um als Augenzeugin Arbeiterproteste zu begleiten.

Im September 1910 kam es zu den sozialgeschichtlich bedeutenden Krawallen in der Sickingenstraße in Moabit, einem der homogensten Arbeiterviertel der Stadt. Sie werden heute „Moabiter Unruhen“ genannt.

Arbeiter der Kohlehandlung Ernst Kupfer streikten tagelang für höhere Löhne. Ihnen wurde damals ein Niedriglohn von 43 Pfennig pro Stunde bezahlt, eine Schicht dauerte 12 bis 14 Stunden. Gleichzeitig waren die Mieten und Lebensmittelpreise in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel gestiegen. Die Firma weigerte sich, mit den Arbeitern zu verhandeln. Stattdessen heuerte sie professionelle, bewaffnete Streikbrecher aus Hamburg an, und damit eskalierte der Kampf um wenige Pfennige mehr Stundenlohn zu blutigen Unruhen.

Fotografie des Eingangs zum Hof einer Kohlenhandlung, mit Bretterzaun und Firmenschild, Heinrich Zille, 1901
Heinrich Zille, Kohlenhandlung, 1901; Heinrich Zille/Public Domain/Berlinische Galerie

Heinrich Zille dokumentierte in seinen schwarz-weiß Fotografien das Leben in Berlin. Hier einen Kohlenplatz in der Danckelmannstraße 16a.

Rund 30 000 Anwohner und Arbeiter aus dem gesamten Viertel protestierten, etwa 1000 Polizisten schlugen den Aufstand nieder. Zwei Menschen starben, rund 150 wurden schwer verletzt. Kollwitz fuhr mehrfach in die Sickingen- und die Beusselstraße und hielt ihre Eindrücke in Zeichnungen fest, darunter „Razzia (Kohlenstreik)“.

Käthe Kollwitz, Razzia (Kohlenstreik), um 1909/10; © Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung

Die Sickingenstraße ist heute noch immer von Gewerbe geprägt. Auf dem Gelände der Kohlehandlung Kupfer befindet sich eine Firma für Industrieverpackungen.

Sickingenstrasse Gewerbepark, 2021
Sickingenstrasse, 2021