Kollwitz‘ Arbeiten für die Zeitschrift Simplicissimus zeichneten sich durch ihre Fähigkeit aus, komplexe soziale Probleme in einfachen und anschaulichen Bildern darzustellen und zeugen von ihrer anhaltenden Beschäftigung mit den Problemen und Nöten der proletarischen Großstadtbevölkerung.
„Bei Frau Becker gewesen. Das Dreimonatkind liegt abgezehrt von Fliegen bedeckt im Wagen. Trudchen kann immer noch nicht laufen, blaß und freundlich. Frau Becker in der Lungenheilanstalt nicht mehr angenommen. Der Mann hat Arbeit, macht aber einen verbitterten Eindruck. Frau Becker immer mit derselben Freundlichkeit und Sanftheit.
Ich schreibe an den Simplicissimus und frage, ob er eine Serie Zeichnungen Proletarierleben brauchen kann.“
Käthe Kollwitz, 26. August 1909, Die Tagebücher 1908-1943, S. 48
In ihren Darstellungen widmet sich Käthe Kollwitz Phänomenen wie Armut, Arbeitslosigkeit und Alkoholismus.
„Je länger je mehr verstehe ich das typische Unglück in Arbeiterfamilien. Sobald der Mann trinkt oder krank und arbeitslos ist, immer dieselben Erscheinungen. Entweder er hängt als toter Stein an seiner Familie und läßt sich ernähren (…), oder er wird schwermütig (…) oder wird verrückt (…) oder er nimmt sich das Leben.“
Käthe Kollwitz, 19. September 1908, Die Tagebücher 1908-1943, S. 42
Die Kohlezeichnung „Weihnacht“ von 1909 zeigt eine Hochschwangere mit zwei Kindern. Es handelt sich um die Zeichnung zum sechsten Blatt der Folge „Bilder vom Elend“, die im „Simplicissimus“ am 24.1.1910 veröffentlicht wurde. In ihr Tagebuch schrieb Kollwitz am 19. September 1909:
„Heut hab ich noch mal die Weihnachtszeichnung gemacht und werde sie wohl in dieser Weise lassen. Die Kreißende lehnt im Profil an dem Zaun, ihr Körper wirft einen großen Schatten auf denselben.“
Käthe Kollwitz, Die Tagebücher 1908-1943, S. 52