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Bildhauerinnen-Ausbildung in Paris

1904 unternahm Käthe Kollwitz eine zweimonatige Studienreise nach Paris, um bildhauerische Techniken zu erlernen.

Als etablierte Künstlerin erweiterte Käthe Kollwitz ihr künstlerisches Repertoire um die plastische Arbeit und besuchte 1904 während ihres Studienaufenthalts an der Académie Julian in Paris auch den bedeutenden Bildhauer Auguste Rodin in seinem Atelier.

Historische Fotografie von Auguste Rodin im Jahr 1898. Er steht in seinem Atelier vor einer seiner großen Skulpturen. Auf einer Arbeitsplatte stehen Werkzeuge, die der Bildhauer zum Arbeiten benötigte: Holzschlegel, Meißel und Schaber. Rodin trägt einen langen Bart. Seine Hände sind lässig in seinen Hosentaschen versenkt. Sein Blick wandert nach oben und fixiert einen Punkt außerhalb des Bildes.
Auguste Rodin in seinem Atelier, 1898 © Foto: Paul François Arnold Cardon a.k.a. Dornac, Wikipedia, gemeinfrei

Zu Lebzeiten von Auguste Rodin benötigten Interessierte, die seine beiden Ateliers in der Rue de l’Université und in Meudon aufsuchen wollten, noch Empfehlungsschreiben. Hugo von Tschudi, der damalige Direktor der Berliner Nationalgalerie, stattete Kollwitz 1904 mit dem nötigen Schreiben aus: „Verehrter Rodin“, schrieb er, „erlauben Sie mir, Ihnen Käthe Kollwitz vorzustellen (…). Sie ist sehr begabt und zählt zu unseren besten Künstlerinnen.“

Kollwitz, die Rodin bewunderte, berichtete in ihrem Tagebuch von der Begegnung mit dem berühmten Bildhauer, die für sie „unvergesslich“ war. Die historische Fotografie zeigt den Bildhauer 1898 in seinem Atelier, hinter ihm ein überlebensgroßes Werk und Arbeitsutensilien.

Historische Fotografie von Schülerinnen einer Bildhauerklasse in Arbeitskleidung. Sie stehen in einem Atelierraum voller Skulpturen. Die Frauen sind konzentriert am Arbeiten. Als Vorbild dient ihnen ein männliches Aktmodell.
Bildhauerinnenausbildung in Paris

Die historische Fotografie zeigt angehende Bildhauerinnen beim Arbeiten nach einem männlichen Aktmodell. Frauen im 19. Jahrhundert, die eine künstlerische Ausbildung anstrebten, konnten dies nur im Rahmen privater Ausbildungsstätten tun. Ihnen blieben die akademischen Ausbildungsmöglichkeiten der Männer lange verwehrt, so auch das Zeichnen vor einem unbekleideten (männlichen oder weiblichen) Aktmodell. Diese Einschränkung hatte zur Folge, dass ihnen z.B. der Bereich der Genre- und Historienmalerei verschlossen blieb. Ihre Bildmotive beschränkten sich daher oft auf Blumen- und Gartenmotive. Die Ateliers in den Damenakademien orientierten sich mit ihrem Lehrbetrieb an den königlichen Akademien. Im Gegensatz zu den Männern mussten die Frauen jedoch ein monatliches Honorar entrichten, da sich die Damenakademien ohne staatliche Förderung finanzieren mussten.

Charles Raoul Verlet, 1911 | Denkmal für Guy de Maupassant von Raoul Verlet im Parc Monceau in Paris. Gravur auf einer Illustration vom 23. Oktober 1897, © BY-SA 3.0

Der französische Bildhauer Raoul Verlet (1857-1923) unterrichtete an der privaten Académie Julian und gehörte zu den zahlreichen Denkmal-Bildhauern, die im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts den öffentlichen Raum mit pathetisch-barocken Standbildern dekorierten.

So erinnerte sich die Künstlerin an ihren Aufenthalt in Paris:

“Das Jahrzehnt zwischen dreißig und vierzig war ein sehr glückliches in jeder Beziehung. Wir hatten, was wir zum Leben brauchten, die heranwachsenden Kinder gediehen, Reisen wurden gemacht. So war ich in diesen Jahren zweimal in Paris. Das erstemal nur für kurz, einer Einladung von Lily und Heinrich Braun folgend, das zweitemal länger. Paris bezauberte mich. An den Vormittagen war ich in der alten Julianschule in der Klasse für Plastik, um mich mit den Grundlagen der Plastik vertraut zu machen. Die Nachmittage und Abende war ich in Museen in der Stadt, die mich entzückte, in den Kellern um die Markthallen herum oder in den Tanzlokalen auf dem Montmartre oder in Bal Bullier. Eine Kollegin von mir, Ida Gerhardi, war Abend um Abend da, um Skizzen zu machen. Die Kokotten kannten sie und gaben ihr immer ihre Sachen, während sie tanzten, zur Aufbewahrung. (…) Speisen taten wir abends in einem dieser großen Lokale, wo die Künstler in Masse, nach ihrer Nationalität zusammensitzend, aßen, auf dem Boulevard Montparnasse.”

Käthe Kollwitz: Die Tagebücher 1908-1943, S. 742f.