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Dauerausstellung Der Erste Weltkrieg

Der Kriegszyklus

Als Deutschland im August 1914 in den Ersten Weltkrieg eintrat, begann für viele Familien eine Zeit des Bangens, die nur zu oft in eine Zeit der Trauer umschlug. Ende Oktober erhielt Familie Kollwitz die Nachricht vom Tod des Sohnes Peter, der als Kriegsfreiwilliger an der belgischen Front gefallen war. Eine Zäsur für Käthe Kollwitz, die ihren Mann überredet hatte, dem noch nicht volljährigen Sohn die Erlaubnis zur Kriegsteilnahme zu erteilen. In den folgenden Jahren setzte sie sich mit ihrer Trauer, ihrem Schuldgefühl und den Kriegsfolgen künstlerisch auseinander und vollendete 1922 die sieben Holzschnitte der Folge Krieg.

Die historische Aufnahme von 1914 zeigt Peter Kollwitz als Soldat. Die Aufnahme muss vor seinem freiwilligen Kriegseinzug entstanden sein.
Peter Kollwitz als Soldat, 1914; © Nachlass Kollwitz, Käthe Kollwitz Museum Köln

Der jüngere Sohn Peter (1896-1914) wollte Künstler werden. Zum Wintersemester 1913 nahm er sein Studium an der Kunstgewerbeschule auf. Bei Kriegsausbruch im August 1914 kehrten der 18-jährige Peter und seine Freunde unverzüglich vom Wanderurlaub aus Norwegen zurück, um sich als Kriegsfreiwillige zu melden. 

Da Peter noch minderjährig war, benötigte er dafür die Erlaubnis seiner Eltern. Karl Kollwitz wollte sie ihm verweigern, aber mit der Unterstützung seiner Mutter schaffte es Peter, ihn zu überreden. Zu dieser Zeit war die Familie noch davon überzeugt, dass es sich um einen notwendigen und kurzen Verteidigungskrieg handelte. Nach einer Grundausbildung in Wünsdorf und Neuruppin ging es im Oktober an die Front nach Belgien. In der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 1914 starb Peter. 

Video über den Tod des Sohnes Peter und die Folge ‚Krieg‘
Studie von 1920. Vier Figuren, bestehend aus dem trommelschlagenden Tod und drei jungen Männern. Sie fassen sich gegenseitig um die Schultern und folgen dem Tod. Sie wirken entrückt; scheinen sich in einem Trancezustand zu befinden. Rechts unten signiert: Käthe Kollwitz
Käthe Kollwitz, Die Freiwilligen, 1920, Bleistiftstudie

Die obige Abbildung zeigt die Entwurfsskizze zum gleichnamigen zweiten Blatt der Folge Krieg von 1922/23. Im Gegensatz zur endgültigen Holzschnittfassung (Abb. unten) zeigt dieser Bleistiftentwurf nur vier Gestalten: den trommelschlagenden Tod und drei Kriegsfreiwillige, die vom Tod mitgerissen werden. Im Holzschnitt stehen die fünf jungen Männer, die dem Tod folgen für ihren Sohn Peter und dessen im Krieg gefallene Freunde.

Sechs Gestalten. Der Tod steht auf der linken Bildhälfte und führt die Gruppe trommelschlagend an. Die anderen fünf Figuren folgen ihm. Sie sind individuell charakterisiert und dargestellt. Die einen folgen ihm in leidenschaftlicher Begeisterung, die anderen in blinder Ergebenheit. Über ihren Köpfen spannt sich ein Lichtbogen. Sie sind alle miteinander verbunden. Die Neigung ihrer Körper zur linken Bildseite und die starken Hell-Dunkel-Kontraste lassen die Bildkomposition dynamisch und kraftvoll erscheinen.
Käthe Kollwitz, Die Freiwilligen, 1921/22, Holzschnitt, © Privatsammlung Schweiz
Zwei Skizzen. Eine Frau umarmt ihre beiden Kinder, die vor ihr stehen. Ihre Augen sind geschlossen. Die Skizze auf der rechten Bildseite ist stärker ausgearbeitet als die Skizze auf der linken Bildseite. Rechts unten signiert: Käthe Kollwitz 1919
Studie „Mutter, ihre beiden Kinder umarmend“, 1919, © Privatsammlung

Die obige Abbildung zeigt eine Studie zur Lithografie Mütter (Abb. unten) von 1919, welches Käthe Kollwitz für den Zyklus Krieg arbeitete und schließlich verworfen hat.  

Eine Gruppe ausschließlich aus Frauen und Kindern bestehend. Sie stehen dicht beieinander und schauen den Betrachter an. Die Frauen halten ihre Kinder nah bei sich oder tragen sie auf dem Arm. Im Mittelpunkt steht eine Frau, die ihre beiden vor sich stehenden Kinder in einer schützenden Geste umfasst.
Käthe Kollwitz, Mütter, verw. Fassung, 1919, Lithografie

Wie so oft hat Käthe Kollwitz auch für diese Studie sich selbst und ihre Kinder als Vorbild genommen. In ihrem Tagebuch hielt sie am 6. Februar 1919 fest: „Ich habe die Mutter gezeichnet, die ihre beiden Kinder umschließt, ich bin es mit meinen eigenen leibgeborenen Kindern, mit Peterchen.“ Nachdem sie im Sommer 1920 Barlachs Holzschnitte gesehen hatte, führte sie den Kriegszyklus in der Technik des Holzschnitts zu Ende.

Anders als beim Holzschnitt sind die Mütter in der vorangegangenen, verworfenen Lithografie in gestaffelter Form und nebeneinander angeordnet. Sie wirken weniger einheitlich und wehrhaft als in der Holzschnittfassung und in der Plastik Der Turm der Mütter

Mütter, die mit ihren Körpern einen engen und fest geschlossenen Kreis um ihre Kinder bilden. Sie sind derart aneinandergerückt, dass sie förmlich zu einer Einheit verschmelzen. Ihre großen Hände haben sich schützend um sich und ihre Kinder gelegt. Ihre Gesten sind eindeutig abwehrend, ihre Mimik verrät, dass ihnen angst und bange ist. Rechts unten signiert: Käthe Kollwitz
Käthe Kollwitz, Die Mütter, 1921-22, Holzschnitt