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Käthe Kollwitz und ihre Freunde

Freundschaft hatte für Käthe Kollwitz eine große Bedeutung. Viele Freundschaften pflegte sie trotz vielfacher Belastungen und politischer Veränderung lebenslang.

Käthe Kollwitz war durch ihre Familie politisch geprägt und engagiert. Ihr älterer Bruder Konrad und ihr Ehemann Karl waren Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei. Die Künstlerin selbst engagierte sich für viele soziale und frauenrechtliche Initiativen. Darüber hinaus war sie aber auch in die vielschichtige Kunstszene Berlins eingebunden. 

Schon als junge Frau hatte sie den Dichter Gerhart Hauptmann kennengelernt. Die von ihr zunächst als künstlerische Vorbilder geschätzten Kollegen Max Klinger und Auguste Rodin lernte sie bald persönlich kennen. Mit dem Maler Max Liebermann war sie seit ihrer ersten Berliner Ausstellungsbeteiligung 1893 über die gemeinsame Mitgliedschaft in der Berliner Secession und ihrem erzwungenen Ausscheiden aus der Preußischen Akademie der Künste nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 eng verbunden.

Gerhart Hauptmann – Der Schriftsteller

Zu sehen ist ein Porträt von Gerhard Hauptmann, das Max Liebermann um 1892 im Hochformat schuf. Es zeigt den Dichter in sitzender Position wie er sich den Kopf mit der rechten Faust abstützt. Sein Blick fixiert einen Punkt außerhalb des Bildes.
Max Liebermann, Porträt von Gerhart Hauptmann, um 1892, Pastell, © Privatbesitz

Käthe erinnerte sich in ihrem „Rückblick auf frühere Zeit“ sehr deutlich an die Begegnung mit Hauptmann. Wenngleich sie ihr eigenes Alter nicht ganz korrekt im Kopf hat, malt sie ein lebendiges Bild des gemeinsamen Abends in Erkner:

„In Berlin machten wir Station und hatten dabei Gelegenheit, den jungen Gerhart Hauptmann kennenzulernen. (…) Er war noch unberühmt, hatte erst das Promethidenlos geschrieben. Er lebte in Erkner in einem Haus, das in einem großen Garten lag. Mir ist erinnerlich, daß wir in einem großen Raum (…) festlich zusammensaßen (…). Es war ein Abend, der nachhaltig auf uns wirkte. (…) Rosenkränze hatten wir alle auf, Wein wurde getrunken, Hauptmann las aus dem Julius Cäsar vor. Wir waren wohl alle, jung wie wir waren, hingerissen. Es war ein wundervoller Auftakt zu dem Leben, das sich dann allmählich, aber unaufhaltsam mir eröffnete.“

Käthe Kollwitz, Rückblick auf frühere Zeit (1941) In: Die Tagebücher 1908-1943, München 2007

Hauptmanns Theaterstück „Die Weber“ inspirierte Käthe Kollwitz 1892 zu ihrem Weber-Zyklus, der ihren künstlerischen Durchbruch als graphische Künstlerin bedeutete.

Max Liebermann – Der Künstlerkollege

Zu sehen ist ein Selbstporträt von Max Liebermann. Die Kohlezeichnung zeigt den Maler mit Hut und Schnurrbart. Kritisch und mit hochgezogener Augenbraue blickt er den Betrachter direkt an.
Max Liebermann, Selbstporträt, 1917, Lithografie

Max Liebermann (1847-1935) war einer der frühesten Unterstützer der jungen Künstlerin. Ihr Zyklus Ein Weberaufstand 1898 beeindruckte ihn so sehr, dass er sie für eine Belobigung durch den Kaiser vorschlug. Doch Wilhelm II. fand den sozialkritischen Ansatz des Weberaufstandes empörend und bezeichnete die Werke als Rinnsteinkunst. Das Dresdener Kupferstichkabinett unter der Leitung von Max Lehrs hingegen teilte Liebermanns Einschätzung und kaufte 1898 die ersten Arbeiten der Künstlerin an. Max Lehrs verfasste 1901 einen Artikel über Käthe Kollwitz, zu dem sich Liebermann gegenüber Lehrs äußerte:

“(…) besten Dank für freundl. Übersendung Ihres Artikels, er hat mich um so mehr interessirt, als ich mich für Frau Kollwitz besonders seit Jahren ins Zeug gelegt habe. Auch war ich es, der in der Jury die Medaille für sie durchgesetzt hatte und es ist kaum 8 Tage her, dass die Socialistischen Monatshefte mich aufforderten, über sie mich auszusprechen. Ich hätte es sehr gern gethan; aber ich finde die Kunstschreiberei zu schwer, auch würde es zu lange gedauert haben, bis ich ein paar Seiten zusammen gedrechselt hätte. Ich habe daher uns’ren gemeinschaftlichen Freund Loeser ersucht, den Artikel zu schreiben.”

Käthe Kollwitz und ihre Freunde, herausgegeben von Käthe-Kollwitz-Museum Berlin, Berlin 2017, S.55

Marianne Fiedler – Die Studienfreundin

Historische Porträtaufnahme der jungen Marianne Fiedler um 1890. Man sieht sie als Halbfigur, die den Betrachter anblickt. Sie trägt zeittypische Kleidung: Ein Jackett, ein Halstuch mit einer Brosche und einen auffälligen Hut mit Schleife und Feder verziert.
Marianne Fiedler, Fotoporträt mit Hut, um 1890; © Nachlass M. Fiedler, Fotoatelier H. Traub, München

Marianne Fiedler (1864-1904) stammte aus großbürgerlichen Verhältnissen und wuchs in Dresden-Blasewitz auf. Kunst spielte eine zentrale Rolle in der Familie und die zeichnerische Begabung Mariannes wurde früh erkannt und gefördert. 1888 nahm sie an der Damenakademie in München ein Kunststudium auf, wo sie wie Käthe Kollwitz der Malklasse von Ludwig Herterich angehörte. Wie eng die beiden Künstlerinnen befreundet gewesen sind, darüber können wir heute nur spekulieren. In den Tagebüchern und späteren Aufzeichnungen von Käthe Kollwitz wird Marianne nur selten erwähnt. Ausführlichere Begebenheiten wusste Beate Bonus-Jeep in ihrem Buch „60 Jahre Freundschaft mit Käthe Kollwitz“ zu erzählen, unter anderem von einer gemeinsamen Reise nach Venedig an Ostern 1890.

“Marianne war von oben bis unten in schöner maßvoller Weise mit der nötigen Fülle ausgerüstet. Den Kopf trug sie frei und hoch und hatte in den wohlgeformten Zügen einen Mund, der sich mit solcher Anmut öffnete und schloss, dass sogar der Anflug sächsischer Sprache ihm wohl anstand. Wir Malerinnen fanden die Fiedler schön und genossen den Eindruck mit Stolz, wenn sie in Venedig durch die Säle im Dogenpalast daherkam, dunkelblond, lockig, voller Anmut …, als wenn der gleiche Meister sie und die Räume zueinander ausgedacht hätte. ”

Beate Bonus-Jeep: Sechzig Jahre Freundschaft mit Käthe Kollwitz. Boppard 1948, S.28-37
Historische Fotografie der Münchner Damenklasse. Zehn jungen Frauen, die Blumenkränze auf ihren Köpfen tragen. Sie posieren gemeinsam für ein Gruppenfoto. Sie spannen ein weißes Tuch. Man sieht größtenteils nur ihre Köpfe. Käthe Schmidt befindet sich in der Bildmitte, in der hinteren Reihe. Sie hat ihren Blick von der Kamera abgewandt. Ihre Hände sind ineinander gefaltet.
Münchner Damenmalklasse von Ludwig Herterich, 1890; © Nachlass M. Fiedler

Nach dem Studium führten die Lebenswege der beiden Künstlerinnen auseinander. Während Käthe als Ehefrau von Karl Kollwitz nach Berlin ging und dort versuchte das Familienleben und die Kunst in Einklang zu bringen, führte Marianne Fiedler ihr unabhängiges Leben fort. Sie hielt sich zeitweise in Florenz und Rom auf, war für längere Zeit in London und kehrte schließlich nach Dresden zurück. Ab 1893 beteiligt sie sich an Kollektivausstellungen in Dresden, München, Berlin und Wien. Ein Jahr darauf präsentierte das Dresdener Kupferstichkabinett sogar eine Einzelausstellung ihrer Werke. Direktor Max Lehrs förderte die junge Künstlerin und erwarb u.a. ihre mehrfarbigen Lithografien für die grafische Sammlung. Im Jahr 1900 heiratete Marianne den gleichaltrigen Theologen Johannes Müller, der Eheschließung folgten schnell drei Kinder. Die Kunst „war keine Arbeit für sie, sondern eine unentbehrliche Lebensäußerung“ äußerte sich Johannes Müller später, doch die voreheliche, rege Ausstellungstätigkeit gehörte nun der Vergangenheit an. 1904, eine Woche nach der Geburt ihres dritten Kindes, starb Marianne Fiedler.

Julius Elias – Der Kunstkritiker

Julius Elias, ca. 1905

Der Kunstkritiker und Publizist Julius Elias (1861-1927) äußerte sich mehrfach über Käthe Kollwitz, vor allem in der Zeitschrift Die Nation. Bereits 1893 fielen ihm die ersten Arbeiten der Künstlerin ins Auge und er erwähnte sie erstmals in seinem Artikel über die Freie Berliner Kunstausstellung:

“Fast allen Betrachtern aber ist das entschiedene Talent einer Frau entgangen, die den Schimpf der ersten Abweisung um so leichter wird ertragen können, als sie einer erfolgreichen Zukunft sicher sein darf.”

Im März 1894 geht Julius Elias in Die Nation, S. 386 erneut auf Käthe Kollwitz ein: 

“Ich möchte, soweit es der Raum mir gestattet, mit wenigen Worten auf einige Frauen hinweisen, deren lebhaftes Emporstreben eine Theilnahme wohl verdient. Glücklich entwickelte sich Käthe Kollwitz, ein Sproß aus der Schule des Müncheners Herterich; im vorigen Sommer habe ich sie in der Gruppe der von der großen Ausstellung zurückgewiesenen Künstler als überaus bemerkenswert entdeckt. Ihre Meister sind inzwischen Raffaelli und Liebermann geworden. Sie schildert den Zustand und das Leben der Vorstadt, wehmütig, doch ohne Tendenz. Ein starker Sinn für malerische Wirkungen, zumal für Beleuchtungsprobleme.”

Handschriftlicher Brief von Käthe Kollwitz an Julius Elias. Oben rechts: datiert mit 11. Februar 1918
Käthe Kollwitz an Julius Elias, Brief vom 11. Februar 1918, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

In ihren Tagebüchern erwähnt Käthe Kollwitz Julius Elias nur einmal. Doch es muss ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen beiden geherrscht haben, denn um seine Meinung bittend, zeigte die junge Künstlerin ihm als einem der Ersten ihren Zyklus Ein Weberaufstand.

Albert Einstein – Eine Freundschaft im Geiste

Die historische Aufnahme zeigt Albert Einstein während eines Vortrags in Wien im Jahr 1921. Er trägt einen Anzug und steht lächelnd vor einer Tafel.
Albert Einstein, 1921, Wikipedia, gemeinfrei

Albert Einsteins (1879-1955) Interesse weckte ein aus Kollwitz‘ Feder stammender Aufruf, der kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges im sozialdemokratischen Vorwärts erschien. Darin forderte sie ein Ende der Kämpfe und schloss mit einem Zitat von Goethe, dass sie gegen Ende ihres Lebens als ihr Vermächtnis bezeichnen sollte: „Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden!“

Zwischen der Künstlerin und dem Physiker gab es eine Verwandtschaft im Geiste. Sie engagierten sich gemeinsam in verschiedenen politischen Verbänden, unterschrieben die gleichen Manifeste und erhoben gemeinsam für bestimmte Ziele das Wort. In den 1920er Jahren waren beide auf dem Höhepunkt ihres gesellschaftlichen Ansehens und galten als glaubwürdige Identifikationsfiguren. Einstein, der von seinen Bewunderern als „politisches Gewissen der Welt“ betrachtet wurde, und Kollwitz, der der Ruf der „sozialen Künstlerin“ vorauseilte. 

Nicht alle Kontakte zwischen ihnen waren politischer Natur. Kollwitz‘ Grafiken beeindruckten Einstein so sehr, dass er von ihnen einmal sagte, „daß er nicht schlafen könne, wenn er nur an sie denke“. 


Seine persönliche Wertschätzung wird in seiner Unterstützung bei der Aufstellung des Gefallenenmals für den Sohn Peter deutlich. Einstein hatte mit seiner Stieftochter Margot im Sommer 1932 die Präsentation der Skulpturen in der Nationalgalerie gesehen. Über seine Tochter erfuhr Einstein, dass Belgien sich wenig für die Aufstellung des Elternpaares auf dem Soldatenfriedhof in Flandern erwärmen konnte, wandte er sich direkt an die belgische Königin, die ihm freundschaftlich verbunden war, und schon im Juli 1932 konnte das Denkmal in Belgien errichtet werden. 


Als letzte gemeinsame Aktion unterzeichneten beide 1932 den Dringenden Appell. Im gleichen Jahr kehrte Einstein von einer Vortragsreise in den USA nicht mehr nach Deutschland zurück.