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Selbstbildnisse

Kommen Sie Käthe Kollwitz ganz nah und schauen Sie in ihr Gesicht. In jeder Schaffensperiode hat sie mit sich selbst Zwiesprache gehalten, sich selbstkritisch betrachtet. So schuf sie zahlreiche Selbstbildnisse, die Ihnen in der Ausstellung zwischen ihren anderen Werken begegnen werden.

Mehr als 100 Selbstporträts finden sich im Werk von Käthe Kollwitz, aus dem sich dieses frühe Selbstbildnis besonders hervorhebt. Mit Feder und Tusche skizziert sich die Künstlerin dem Betrachter zugewandt in fröhlicher Stimmung – es ist das einzige bisher bekannte Selbstbildnis, auf dem sie sich lachend darstellt.

Käthe Kollwitz im Dreiviertelporträt. Im Kopfbereich mit der Feder fein, die Schulterpartie mit dem Pinsel grob ausgearbeitet. Der restliche Körper ist skizzenhaft angelegt. Links mittig mit Schm. signiert.
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis en face, lachend, 1888-89, Tusche/Feder

Das Blatt entstand im Jahr 1888/89, noch vor ihrer Hochzeit mit dem Arzt Karl Kollwitz. Sie signierte es in der Mitte mit Schm., was für ihren Mädchennamen Schmidt steht. Das Dreiviertelporträt ist im Kopfbereich mit der Feder fein und die Schulterpartie mit dem Pinsel grob ausgearbeitet, der restliche Körper bleibt skizzenhaft angelegt.

Möglicherweise entstand das Blatt während ihrer Münchner Studienzeit, die sie an der dortigen Künstlerinnenschule verbrachte, da ihr damals als Frau der Weg zu einem akademischen Kunststudium verwehrt war.

Auch wenn Themen wie Trauer, Verlust, Armut, Hunger oder Krieg, die Käthe Kollwitz in ihrem Werk häufig aufgriff, etwas anderes vermuten lassen: Sie war eine lebensfrohe Persönlichkeit, die viel und gerne lachte.

Das verdeutlicht ein Zitat ihrer Schwester Lisbeth Stern:

„[…] das Bild von Käthe aus ihrer früheren Zeit, als sie noch berühmt war wegen ihres Lachens mit ihrem großen Mund und den gesunden Zähnen – ihrer strömenden Kameradschaftlichkeit, die nie rechnete – ihrer Fröhlichkeit bei Festen und ihrem Talent, sich so herrlich zu verkleiden (…)“.

Käthe Kollwitz, Briefe der Freundschaft und Begegnungen. Mit einem Anhang aus dem Tagebuch von Hans Kollwitz und Berichten über Käthe Kollwitz, München 1966, S. 143
Käthe Kollwitz bei der künstlerischen Arbeit im heimischen Wohnzimmer. Über dem Esstisch hängt eine Petroleumlampe, deren Licht ihr Gesicht erhellt. Sie blickt von ihrer Radiertätigkeit auf und richtet ihre Aufmerksamkeit auf den Betrachter. Unten rechts signiert: Käthe Kollwitz
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis am Tisch, 1893, Radierung

Bei der Radierung Selbstbildnis am Tisch von 1893 handelt es sich um ein frühes Selbstporträt der Künstlerin. Es zeigt das Interieur des heimischen Wohnzimmers in der damaligen Weißenburger Straße (heute Kollwitzstraße), in dem es entstand. Kollwitz sitzt unter einer Petroleumlampe, deren Lichtakzente sie zur malerischen Ausleuchtung des Gesichts und des Arbeitsplatzes einsetzt. Das Blatt erschien 1889/90 auch als Beilage der Zeitschrift Pan. Als junge Ehefrau und Mutter, und ohne eigenes Atelier waren ihre Arbeitsmöglichkeiten in der Wohnung im Prenzlauer Berg eingeschränkt. Nicht zuletzt deswegen wandte sie sich der Druckgrafik zu, die es ihr erlaubte, platzsparend ihrer künstlerischen Tätigkeit nachzugehen.

Selbstbildnis von Käthe Kollwitz im Dreiviertelprofil. Kopfstück. Der Blick ist melancholisch, auf einen imaginären Punkt außerhalb des Bildes gerichtet. Die rechte Gesichtshälfte ist verschattet. Während Haare und Gesicht detailliert ausgearbeitet sind, ist der Hals nur skizzenhaft angedeutet. Rechts unten signiert: K. Kollwitz
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis nach links mit Halsansatz, 1902, Kreidelithografie

Das farbig lithografierte Selbstbildnis, das Käthe Kollwitz Ende 1902 schuf, entstand unter dem Einfluss ihrer ersten Parisreise 1901. Die Künstlerin, die sonst eher für ihre druckgrafischen Arbeiten in strengem Schwarzweiß bekannt ist, hat im Zuge ihrer Eindrücke aus der französischen Metropole eine Zeitlang farbig experimentiert.

Selbstbildnis von Käthe Kollwitz im Profil. Bruststück. Der Kopf ist zur Seite gewandt. Ihre rechte Hand, mit der sie sich eben noch ihren Kopf abgestützt zu haben scheint, verharrt in der vertikalen Position. Unten rechts signiert: Käthe Kollwitz
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, 1924, Holzschnitt

Dieses Selbstporträt von Käthe Kollwitz entstand 1924. Bei dem Holzschnitt handelt es sich um die Variante eines Selbstbildnisses, bei der die Künstlerin den Holzstock um fast die Hälfte verkürzte. Dadurch wurde eine stärkere Fokussierung auf die Gesichtspartie erzielt. Die ursprüngliche Variante zeigt sie als sitzende Halbfigur, monumental in Szene gesetzt. In ihr Tagebuch schrieb Kollwitz am 14. Mai 1924:

„Ich arbeite Kleinigkeiten für Verleger. Die Begrüßung Elisabeths und Marias und das Selbst[bild] mit hochgehobener Hand. Beides Holzschnitte.“

Selbstbildnis, 1926-32, Bronze, Käthe-Kollwitz-Museum Berlin, Foto: Kienzle | Oberhammer

„Nehme mich selbst plastisch vor, meine Gesichtsmaske. Zu Anfang scheint es mir ein Kinderspiel. Nach und nach seh ich, daß auch das verflucht schwer ist.“

Käthe Kollwitz, Eintrag Juli 1926, Tagebücher, S. 616
Selbstporträt von Käthe Kollwitz in einem sehr engen Bildausschnitt.. Sie wirkt gleichzeitig nachdenklich und sprachlos, abwesend aber doch präsent. Ihr Blick ist direkt auf den Betrachter gerichtet, wirkt aber leer. Ihre Lippen sind verschlossen. An ihrer rechten Augenbraue sind Finger der rechten Hand erkennbar. Einzelne Partien des Gesichts sind erhellt. Rechts unten signiert: Käthe Kollwitz Selbstbild 1934
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis, 1934, Kreidelithografie

Für dieses ausdrucksstarke Selbstbildnis von 1934 wählte Käthe Kollwitz einen ungewöhnlich engen Ausschnitt, das gleichsam als Nah- und Großaufnahme konstruiert wurde. Angesichts der damaligen nationalsozialistischen Herrschaft erhält dieses Selbstporträt eine ganz besondere Brisanz. Durch den erzwungenen Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste im Februar 1933 wurde sie aus der Öffentlichkeit verbannt, ihre Möglichkeiten „zu wirken“ waren eingeschränkt. Dafür spricht auch ein Eintrag in ihrem Tagebuch im Jahr 1936: „Man schweigt in sich hinein“.

Selbstbildnis von Käthe Kollwitz als Halbfigur. Ihr Rücken ist gebeugt, die Schultern eingefallen. Ihre Haare sind erhellt. Das Profil ist tief verschattet, ihr müder Blick schweift ins Leere.
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis im Profil nach rechts, 1938, Kreidelithografie

In dem halbfigürlichen Selbstbildnis von 1938 stellt sich Käthe Kollwitz ungeschönt als betagte, vom Leben gezeichnete Frau dar. Historische Fotografien belegen, dass sich eine Reproduktion des Selbstporträts im Atelier des Bildhauers Gustav Seitz befand. Diese inspirierte ihn bei der Bildfindung seiner überlebensgroßen Bronzeplastik für Kollwitz, die seit 1961 im Ost-Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg auf dem Kollwitzplatz steht.