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Alter und Tod Dauerausstellung

Vom ‚Dringenden Appell‘ zur ‚Entarteten Kunst‘

Ende Juli 1932 sollte Deutschland einen neuen Reichstag wählen, die NSDAP drohte stärkste Kraft zu werden. Käthe und Karl Kollwitz riefen in einem „Dringenden Appell“ zusammen mit Albert Einstein, Heinrich Mann (1871–1950) und vielen weiteren bekannten Persönlichkeiten zum Zusammenschluss von SPD und KPD als „einheitlicher Arbeiterfront“ auf. Der Appell blieb politisch folgenlos.

Der Dringende Appell von 1932 zur taktischen Kooperation von KPD und SPD für den Wahlkampf wurde von 33 bekannten Persönlichkeiten unterstützt.
Dringender Appell, 1932; (c) Stiftung Stadtmuseum Berlin, Reproduktion: Michael Setzpfandt, Berlin michael@setzpfandt.com 0049-177-935 1355 Aufnahme zeigt IV 72/1838 d S
Abdruck des Dringenden Appells in der Zeitung der FUNKE am 25. Juni 1932, Friedrich Ebert Stiftung

Im Februar 1933 wurde erneut und mit gleichem Wortlaut im „Dringenden Appell“ zum Zusammenschluss der linken Parteien gegen Hitler aufgerufen, wieder unterzeichneten Käthe und Karl zusammen mit Heinrich Mann und weiteren Persönlichkeiten. Käthe Kollwitz und Heinrich Mann wurden daraufhin zum Austritt aus der Akademie der Künste gezwungen. Max Liebermann legte im Mai sein Amt als Ehrenpräsident der Akademie nieder und trat ebenfalls aus, 1935 starb Liebermann. Kollwitz war eine der wenigen, die seinen letzten Weg begleiteten. Karl Kollwitz wurde vorübergehend die Krankenkassenzulassung entzogen und auch Sohn Hans, mittlerweile Schularzt in Berlin, verlor kurzzeitig seine Stelle.

Video über den ‚Dringenden Appell‘ und ‚Entartete Kunst‘

Anfang des Jahres 1934 räumte die Künstlerin ihr Meisteratelier in der Akademie und bezog im Herbst neue Räume in der Ateliergemeinschaft Klosterstraße. Dort führte sie die Arbeiten an der Großplastik Mutter mit zwei Kindern zu Ende und ließ die Gruppe in Zement gießen sowie in Muschelkalk aushauen. Der Steinguss sollte erstmals auf der Ausstellung zu ihrem 70. Geburtstag präsentiert werden. Einen Ort für diese Ausstellung zu finden, wurde zunehmend erschwert. Bereits 1935 wurden ihre Werke aus einigen Ausstellungen entfernt, 1936 dann kurzfristig beide von Kollwitz eingereichten Plastiken für die Jubiläumsschau über die Berliner Bildhauer in der Akademie der Künste entfernt. Im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ folgten 1937 Beschlagnahmungen in elf deutschen Museen. Ihre Geburtstagsausstellung in der Galerie Buchholz wurde in letzter Minute verboten, war aber Eingeweihten trotzdem zugänglich. Die sieben Lithografien der 1934 begonnenen Folge Tod präsentierte Kollwitz schließlich in ihrem Atelier.

Käthe Kollwitz in ihrem Atelier in der Klosterstraße, im Hintergrund an der Wand Lithografien aus dem Zyklus Tod, um 1937, © Nachlass Kollwitz, Käthe Kollwitz Museum Köln, Foto: Georg Titzsch