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Alter und Tod Dauerausstellung

Zyklus ‚Tod‘

Immer wieder hatte sich Kollwitz in ihrem Werk mit dem Tod auseinandergesetzt. Als großes Alterswerk entstand in den Jahren 1934 bis 1937 der lithografische Zyklus Tod, der acht Blätter umfasst.

Der Plan zu einem druckgrafischen Zyklus mit diesem Thema schwebte Käthe Kollwitz offenbar schon seit Jahren vor. Tagebucheinträge aus dem Jahr 1934 geben Auskunft über den Beginn des Schaffensprozesses sowie die dabei vorherrschende Stimmungslage der Künstlerin.

„Hatte mir vorgenommen in dieser Zeit, in der ich nicht plastisch arbeiten kann, meinen alten Plan auszuführen, graphisch eine Folge von Blättern zum Thema Tod zu machen und dann damit abzuschließen. Erstens mal Eingewöhnung in den neuen Arbeitsraum. Die Balkonstube ist recht klein, aber dafür intim. Seitdem ich die Gruppe [Mutter mit zwei Kindern] auf den Boden brachte, ist Raum genug. Aber in diesem heißen Sommer fast täglich Sonne. Überhaupt ist dies beständig strahlende Wetter nicht gerade günstig für Arbeit zum Thema Tod. Die Mühe ist groß.“

Käthe Kollwitz, Eintrag August 1934. Tagebücher, S. 677f.

Mit der Machtübernahme der Nazis 1933 verlor Käthe Kollwitz ihre Professur und damit auch ihre Atelierräume in der Preußischen Akademie der Künste. Nachdem sie zwischenzeitlich wieder zuhause, in der Weißenburger Straße arbeiten musste, gelang es ihr, von 1934 bis 1940 einen Atelierraum in der ehemaligen Königlichen Kunstschule in der Klosterstraße 75 anzumieten. Hier arbeitete sie sowohl an der Plastik Mutter mit zwei Kindern als auch an den Blättern aus der Serie Tod.

Historische Aufnahme der Kunstschule Klosterstraße, Berlin, 1880; ab 1933 Ateliergemeinschaft
Klosterstraße 75, 1880; Bernhard Förster: Die neue Kunstschule in Berlin, Klosterstraße. in: Zeitschrift für Bildende Kunst, Beilage Kunstchronik. 15. Jahrgang, 1880

Acht Begegnungen mit dem Tod

„Ich hatte die Vorstellung, jetzt im wirklichen Alter würde ich vielleicht Arbeiten zustande bringen – zu diesem Thema – die in die Tiefe gehn. Wie der alte Goethe sagt: ›Gedanken, bisher undenkbare …‹ Es ist nicht der Fall. Die Zeit des Alterns ist zwar schwerer als das Alter selbst, aber produktiver. Gerade da der Tod schon hinter allem sichtbar wird, beunruhigt er mehr die Phantasie. Das Drohende ist aufregender als wenn man dichter vor ihm steht und ihn in seiner Größe doch nicht überblickt, ja nicht mehr solchen Respekt hat vor ihm.“

Käthe Kollwitz, Eintrag August 1934. Tagebücher, S. 677f.

Tod hält Mädchen im Schoß

Käthe Kollwitz, Tod hält Mädchen im Schoß, Blatt 2 der Folge „Tod“, 1934, Kreidelithografie

Der Tod erscheint hier als fürsorgliche Gestalt, auf dem Schoß eine junge Frau, die sich Trost suchend an ihn schmiegt. Ihre geschwärzten Augen und der offen stehende Mund lassen darauf schließen, dass der Tod bereits eingetroffen ist.

Tod im Wasser

Käthe Kollwitz, Tod im Wasser, Blatt 7 der Folge „Tod“, 1934, Kreidelithografie

Es handelt sich bei diesem Blatt um die Darstellung einer kleinen Familie, die in den Tod geht. Zu sehen sind drei Figuren: Ein Vater, eine Mutter und ein Kind, deren leblose Körper im Wasser treiben. Während der Vater aufgerichtet und mit geöffnetem Mund untergeht, beugt sich die Mutter über das Kind und versinkt in die Tiefe. Eine Tragödie, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert nicht selten vorkam. Suizidfälle waren in der Tagespresse stark präsent, was das Interesse und die Auseinandersetzung der Zeitgenossen mit diesem gesellschaftlichen Problem deutlich macht.

Ruf des Todes

Eine ältere Frau, die von einer ausgestreckten, knochigen Hand an der Schulter berührt wird. Die Hand erscheint unvermittelt von der rechten oberen Bildecke. Der rechte Unterarm der Frau ist angewinkelt; sie hält ihn diagonal nach oben, zur knochigen Hand, so dass eine formale Verbindung entsteht. Ihre linke Hand ist bis auf Augenhöhe erhoben und vermittelt eine Geste der Resignation.
Käthe Kollwitz, Ruf des Todes, 1937, Kreidelithografie

Das Blatt Ruf des Todes von 1937 stellt eine ältere Frau dar, die von einer Hand berührt wird. Die knochige Hand symbolisiert den Tod, dem sich die Frau mit geschlossenen Augen bereitwillig zuwendet. 1941 erwarb Prinz Ernst Heinrich von Sachsen das Blatt in der Buchhandlung Karl Buchholz für die Sammlung Friedrich August II. Er war ein Bewunderer ihrer Kunst und lud Kollwitz, die vor dem Bombenkrieg nach Nordhausen geflohen war, 1944 nach Moritzburg ein. Auf dem „Rüdenhof“ verstarb die Künstlerin dann im April 1945. Ihre Urne wurde im Sommer nach Berlin überführt und im Familiengrab auf dem Friedhof Berlin-Friedrichsfelde beigesetzt. Das Grabrelief ‚Ruht im Frieden seiner Hände‘ gestaltete Käthe Kollwitz 1934, nachdem ihr Schwager Georg Stern verstorben war.