Kategorien
Dauerausstellung Unkategorisiert Zwanziger Jahre

„Mütter gebt von euerm Überfluß!“

Zur Geschichte eines Plakates

Hinter jedem Kunstwerk steckt eine Entstehungs- und meistens auch eine nicht immer bekannte Sammlungsgeschichte. In unserer Museumssammlung befindet sich mit dem Plakat Mütter gebt von euerm Überfluß! ein Werk von Käthe Kollwitz, dessen lückenlose Geschichte wir dem Engagement und der Großzügigkeit der Familie von Marie-Elise Kayser verdanken.

Die Kinderärztin Marie-Elise Kayser (1885-1950) kannte aus ihrem Magdeburger Praxisalltag die großen Vorteile der Muttermilch und kam durch den eigenen Überschuss an Milch nach der Geburt ihrer Kinder auf die Idee, Frauenmilch systematisch und vor allem durch private Spenderinnen zu sammeln und auch außerhalb der Klinik an bedürftige Kinder abzugeben. Am 19. Mai 1919 richtete sie an der Säuglingsabteilung im Magdeburger Krankenhaus Altstadt die erste Frauenmilchsammelstelle Deutschlands ein und engagierte sich zeitlebens für dieses Thema u.a. mit zahlreichen Publikationen, einem Leitfaden für die Errichtung und den Betrieb von Frauenmilchsammelstellen und sogar einem Lehr- und Werbefilm. In den 1930er und 1940er Jahren gab es in fast allen deutschen Großstädten Sammelstellen nach Marie-Elise Kaysers Vorbild, bis heute gibt es noch 33 von ihnen in ganz Deutschland.

Die wirtschaftlichen Bedingungen waren in den 1920er Jahren schwierig und Marie-Elise Kayser wollte für ihre Idee eine große Öffentlichkeit erreichen. Daher schrieb sie 1921 einen Brief an Käthe Kollwitz, in dem sie die bekannte Künstlerin um einen Plakatentwurf anfragte, mit dem sie auf das Spenden von Muttermilch aufmerksam machen wollte. Käthe Kollwitz war begeistert von der Idee und sagte zu. Doch andere Auftragsarbeiten kamen dazwischen und erst im November 1926, Marie-Elise Kayser lebte und arbeitete inzwischen in Erfurt, konnte sie das Plakat fertigstellen: „Mütter gebt von euerm Überfluß!“

Käthe Kollwitz, Mütter gebt von euerm Überfluß, 1926, Kreidelithografie

Marie-Elise Kayser bewahrte die Briefe von Käthe Kollwitz auf sowie den Schriftwechsel mit der Druckerei Birkholz in Berlin, die die Plakate für sie druckte. Nach dem Drucken ging auch der Lithostein in ihren Besitz über. Kurz nach der Eröffnung des Berliner Käthe-Kollwitz-Museums im Mai 1986 stellte die Familie Kayser den Druckstein sowie ein Exemplar des Plakates der Museumssammlung zur Verfügung. Später entschied sich die Familie auch den Briefwechsel in unsere Obhut zu geben. Wir sagen herzlich Danke und können mit dieser schönen Provenienz auch Marie-Elise Kaysers Wirken für die Nachwelt bewahren.

Briefe von Käthe Kollwitz an Dr. Marie-Elise Kayser